Die Schule der Zukunft
Zu Besuch bei Stefan Ruppaner und der Alemannenschule Wutöschingen

Bild: Stefan Ruppaner und Timon Dürr (von links)
Von Timon Dürr | 16.06.2025
Ein Podcastgespräch über Haltung, Freiheit und tolle Bildung
Was wäre, wenn Schule nicht mehr als Ort des Frontalunterrichts, sondern als Raum für Selbstverantwortung, Sinn und Gemeinschaft gedacht würde? In der aktuellen Folge meines Podcasts „Zukunftsgefährten“ spreche ich mit Stefan Ruppaner, dem ehemaligen Schulleiter der Alemannenschule Wutöschingen, über genau diese Vision – und darüber, wie sie bereits heute Realität ist.
Schule neu gedacht – und gelebt
Die Alemannenschule ist eine Schule ohne Klassen, ohne klassischen Unterricht, ohne Schulbücher – und doch (oder gerade deshalb) mit überdurchschnittlichen Abschlussergebnissen. Statt Stundenplänen und Notendruck gibt es Lerngruppen, Coachinggespräche, Kompetenzraster und Gelingenserlebnisse. Lernen ist hier kein Zwang, sondern eine Einladung – und die Verantwortung dafür liegt bei den Lernenden selbst. Aus diesem Grund sieht ein typischer Lernraum im neuen extra dafür konzeptionierten Schulgebäude auch so aus:

Ruppaner beschreibt das Lernen als ein Buffet: Die Schule bereitet alles sorgfältig vor, bietet Orientierung, Beratung und Unterstützung – aber niemand wird gezwungen zu essen. Die größte Belohnung? Mitlernen dürfen. In einer Atmosphäre, die von Respekt, Vertrauen und echter Beziehung geprägt ist. Ein Lernraum für die Oberstufe sieht daher auch folgendermaßen aus:

Haltung statt Vorschrift
Im Zentrum des Gesprächs steht immer wieder das Thema Haltung. Ruppaner spricht offen über seine eigene Entwicklung – vom klassischen Lehrerbild hin zum Lernbegleiter, der sich selbst hinterfragt und neu ausrichtet. Seine Motivation? Die Kinder. Ihre Freude, ihre Neugier, ihre Entwicklung. Und die Überzeugung, dass die beste Bildung nur dann gelingt, wenn sie vom Kind aus gedacht wird. Dabei steht auch das Thema Vielfalt an Angeboten im Mittelpunkt - wie beispielsweise der gut bestückte Trainingsraum im Schulgebäude der Oberstufe.

Wirkung über die Region hinaus
Was in Wutöschingen begann, zieht längst Kreise: Kooperationen mit Universitäten, Bildungsministerien, Schulen in Südtirol und Niedersachsen, ein eigenes Lernmanagementsystem, eine gemeinnützige Genossenschaft für Lernmaterialien – und nicht zuletzt Ruppaners Buch „Das könnte Schule machen“, das zum Spiegel-Bestseller wurde.
Sein Ziel: Eine Bewegung von unten. Kinder, Eltern, Lehrkräfte, die gemeinsam einfordern, dass Schule wieder ein Ort wird, an dem man gern ist – und dabei ganz selbstverständlich lernt.
„Wenn ein Mensch jahrelang gern zur Schule geht, kann man gar nicht verhindern, dass er dabei eine Menge lernt.“
– Stefan Ruppaner
Dieses Zitat bringt auf den Punkt, worum es in dieser Podcastfolge geht: Schule als Ort der Freude, der Selbstverantwortung und des Vertrauens. Und um die Frage, wie wir den Mut finden, gewohnte Strukturen zu hinterfragen – um Raum für eine ganz andere Zukunft zu schaffen, wie wir sie uns manchmal ausmahlen.

Dabei wird ersichtlich: Die Alemannenschule ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis von Mut, Beharrlichkeit und einem tiefen Verständnis für das, was Lernen heute braucht – und was nicht mehr funktioniert. Dieser Weg, der trotz des großen Erfolges auch - und vielleicht gerade deswegen - mit Beschwerlichkeiten einherging, ist im Treppenhaus mit Meilensteinen klar dokumentiert.

Was wir daraus lernen können: Future Skills für morgen – schon heute leben
Die Alemannenschule Wutöschingen ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern ein lebendiges Labor für die Kompetenzen der Zukunft. Wer genau hinschaut, erkennt: Hier werden bereits heute jene Future Skills gefördert, die in einer zunehmend dynamischen, digitalen und komplexen Welt entscheidend sind. Dazu gehören unter anderem:
- Selbstorganisiertes Lernen: Kinder lernen, sich Ziele zu setzen, Lernwege zu wählen und Verantwortung für ihren Fortschritt zu übernehmen – eine Schlüsselkompetenz für lebenslanges Lernen.
- Feedback- und Reflexionsfähigkeit: Durch regelmäßige Coachinggespräche und Gelingenserlebnisse wird Feedback nicht als Bewertung, sondern als Entwicklungschance erlebt.
- Kollaboration und soziale Verantwortung: In altersgemischten Gruppen, Peer-Coachings und durch das Prinzip des „Lernprofis“ wird gemeinsames Lernen zur gelebten Praxis.
- Digitale Souveränität: Der souveräne Umgang mit digitalen Tools und Lernplattformen ist selbstverständlich – nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur Selbstermächtigung.
- Sinnorientierung und intrinsische Motivation: Lernen wird nicht mehr als Pflicht, sondern als persönliche Entfaltung erlebt – getragen von Neugier, Relevanz und echter Beziehung.
Diese Kompetenzen sind nicht nur für die Schule relevant – sie sind genauso übertragbar für eine zukunftsfähige Gesellschaft und Arbeitswelt.