Praxis-Use-Case: Digitale Meisterprüfung initialisieren
Digitale Premiere – Die erste digitale Meisterprüfung bei der Handwerkskammer Konstanz

Von Timon Dürr | 30.06.2025
Im Jahr 2023 habe ich als Vorsitzender des Meisterprüfungsausschusses für Fliesen-, Platten- und Mosaikleger bei der Handwerkskammer Konstanz eine besondere Premiere mitgestaltet: Nach zwanzig Jahren ohne Meisterpflicht im Gewerk wurde die erste neue Prüfung abgehalten – und wir waren die ersten, die den Schritt zur vollständigen Digitalisierung gewagt haben. Der Impuls dafür kam aus dem Wunsch, unsere Prozesse als Ausschuss weiterzuentwickeln und zukunftsfähig aufzustellen – nicht zuletzt, um die intensive ehrenamtliche Arbeit langfristig zu erleichtern.
Ausgangslage & Ziel
Nach der Wiederaufnahme der Meisterpflicht standen wir als Ausschuss vor der Herausforderung, ein vollständig neues Prüfungskonzept zu etablieren. Die Belastung als Vorsitzender war hoch, sodass ich ursprünglich sogar erwogen hatte, mein Amt vorzeitig abzugeben. Doch anstatt den Weg des geringeren Widerstands zu wählen, habe ich mich entschieden, dem Prozess noch einmal einen Innovationsschub zu geben – und das Meisterprüfungsverfahren in der zweiten Runde zu digitalisieren.
Projektpartnerschaft & Umsetzung
Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich eigenständig nach passenden Projekten gesucht und bin auf die Initiative InnoVet (ZWH) gestoßen. Im engen Austausch mit Dr. Fabian Neuwahl und seinem Team, haben wir die Digitalisierung der Prüfung gemeinsam geplant und umgesetzt.
Mein Fokus lag dabei nicht nur auf der technischen Seite – die eigentliche Herausforderung bestand darin, das Ehrenamt, das Prüfungswesen und die beteiligten Kolleginnen und Kollegen zu begleiten, zu befähigen und den Wandel gemeinsam zu gestalten. Meisterprüfungsausschüsse sind eigenständige Organe mit viel Gestaltungsspielraum – hier braucht es Fingerspitzengefühl, Überzeugungskraft und Kommunikation auf Augenhöhe.
Digitale Prüfungsdurchführung in der Praxis
Das Ergebnis: Die Durchführung der Prüfung erfolgte erstmals vollständig digital – sowohl in der Berufspraxis (Teil 1) als auch in der Berufstheorie (Teil 2). Mit iPads konnten wir die Bewertung direkt vor Ort dokumentieren, Fotos aufnehmen und diese den jeweiligen Prüfungsleistungen zuordnen. Das Klemmbrett wurde durch die Prüfungssoftware „UCAN“ ersetzt, die eine übersichtliche, intuitive Eingabe und bessere Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse ermöglichte.
Auch die Prüflinge zeigten sich offen - insbesondere im Teil 2 der Meisterprüfung - der Berufstheorie: Viele empfanden das Abtippen der Prüfungsantworten am PC sogar als Vorteil, weil die Lesbarkeit der Antworten verbessert wurde. Eine gezielte Schulung und eine Testprüfung im Vorfeld halfen dabei, Unsicherheiten abzubauen und den Prozess iterativ zu optimieren.
Erfahrungen & Rückmeldungen
Besonders positiv: Der iterative Ansatz mit Testlauf und Feedbackrunde hat alle Beteiligten eingebunden und für hohe Akzeptanz gesorgt. Die digitale Prüfung wurde nicht nur als modern wahrgenommen, sondern brachte spürbare Vorteile für Ausschuss, Prüflinge und Verwaltung – von der Nachvollziehbarkeit bis zur Prozessgeschwindigkeit.
Inzwischen wurden weitere Ausschüsse für das Thema begeistert und sind dabei, die digitale Prüfung selbst zu implementieren.
Fazit & Ausblick
Die erfolgreiche Digitalisierung der Meisterprüfung zeigt, dass Innovation auch im traditionsreichen Handwerk gelingen kann – mit klarer Zielsetzung, guter Technik, verlässlichen Partnern und einer Kultur der Kommunikation auf Augenhöhe mit Vorbildfunktion. Gerade im Ehrenamt braucht es Mut, Engagement und ein Bewusstsein für die Chancen, die Veränderung bringt - nicht zuletzt, weil gerade im Ehrenamt besonders kosten- und ressourceneffizient gearbeitet werden muss.
Ich kann jedem, der ähnliche Veränderungsprozesse anstößt, empfehlen, den Fokus neben der Technik vor allem auf die Begleitung und die Befähigung der Menschen zu legen – und den Wert von Teamarbeit, Diplomatie und kontinuierlichem Austausch nie zu unterschätzen.
Besonders freut mich, wie viel Freude und echtes Commitment dieses Projekt bei allen Beteiligten ausgelöst hat – allen voran im eigenen Ausschuss. Das positive Miteinander und die gemeinsam erreichten Fortschritte haben mich motiviert, mich für eine weitere Amtszeit als Meisterprüfungsvorsitzender zur Verfügung zu stellen. Ein zusätzlicher Höhepunkt: Ich durfte unsere Erfahrungen und Ergebnisse sogar als Pilotprojekt auf der ZWH-Bildungskonferenz 2024 vorstellen – ein weiterer Beleg dafür, wie wertvoll gemeinsamer Wandel im Handwerk sein kann.